back to >>> PUBLISHED

Friedensnobelpreis an den ,,Banker gegen die Armut”

 

Das norwegische Nobelkommittee hat eine überraschende Wahl getroffen. Der Friedensnobelpreis 2006 geht zu gleichen Teilen an den Ökonomen Huhammad Yunus aus Bangladesh und an die von ihm gegründete Grameen Bank, die erfolgreich Hilfe zur Selbsthilfe betreibt indem sie ohne Sicherheit Kleinstkredite an die Ärmsten der Armen, in erster Linie an Frauen, vergibt.

 

mat. Stockholm, 13.Oktober

Das Nobelkommitee des norwegischen Parlaments seine Entscheidung zugunsten Yunus und der Grameen Bank mit ,,deren Anstrengungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von unten”. Dauerhafter Friede könne nicht erreicht werden solange es für grosse Bevölkerungsgruppen keinen Weg aus der Armut gebe, schrieb das Preiskommittee weiter. Kleinstkredite hätten einen solchen Weg geöffnet. Die Entwicklung ,,von unten” diene auch der Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten.Yunus habe bewiesen, dass seine Visionen zur Eliminierung der Armut praktisch verwirklichbar seien. Kredite an Arme ohne jede Sicherheit zu vergeben habe zuvor als unmögliche Idee gegolten. Die Grameen Bank habe sich aber während drei Jahrzehnten als Quelle von Ideen und Modellen erwiesen, die zur Gründung vieler ähnlicher Institutionen rundum in der Welt geführt hätten.

 

Kleinstkredite hätten sich zudem als eine befreiende Kraft in jenen Gesellschaften erwiesen, in denen vor allem die Frauen gegen repressive soziale und wirtschaftliche Bedingungen anzukämpfen hätten. Wirtschaftliches Wachstum und politische Demokratie könnten ihr volles Potential erst dann  erreichen wenn die weibliche Hälfte der Menschheit auf gleicher Höhe stehe wie die männliche, schrieb das Nobelkommittee.

 

Kreditsicherung durch Solidaritätsgruppen

Der in den USA ausgebildete Ökonom Yunus wurde erstmals in den 70er Jahren als Kreditgeber aktiv, als er im Gefolge einer Hungersnot in seinem Land aus eigener Tasche Geld an einige Frauen in einem Dorf unweit seiner Heimatstadt Chittagong auslieh. Die Frauen, die als Kleinstunternehmer Bambusmöbeln herstellten, waren in die Hände gewissenloser Geldverleiher geraten. Yunus’ Minikredit half ihnen wieder finanziell auf die Beine. Derartige Erfahrungen veranlassten ihn 1976 zur Gründung der Grameen (=Dorf) Bank, die seither nach eigenen Angaben 6,5 Millionen Menschen, davon 97% Frauen, Kredite gegeben haben soll. Aus Sicht der Bank können die Frauen im Lande mit kleinen Summen eher verantwortungsvoll umgehen, tragen sie doch die Hauptverantwortung für die Familien. An Männer werden Kredite deshalb nur mit Zustimmung ihrer Frau vergeben.

 

Obwohl die Kredite ohne Sicherheit vergeben werden läuft die Bank, die über 2 200 Filialen hat, mit Gewinn. Yunus erfand dazu ein System von Solidaritätsgruppen, wo mehrere Kreditnehmer gemeinsam um Kredit ansuchen und die Verantwortung für die Rückzahlung ebenfalls gemeinsam tragen.

 

Überreichung im Dezember

Dass die Wahl des Nobelkommittees auf Yunus und die Grameen Bank fiel, überraschte die Auguren in Oslo. In den Spekulationen vor der Entscheidung hatten der frühere finnische Präsident und Friedensvermittler Martti Ahtisaari sowie die chinesisch-uigurische Menschenrechtlerin Rebyia Kadeer als Favoriten gegolten. Die Jury, die vom Storting gewählt wird, besteht aus fünf Parlamentsabgeordneten, wobei ihre Zusammensetzung die Mehrheitsverhältnisse im Parlament spiegeln soll. 191 Vorschläge hatte das Kommittee dieses Jahr zu mustern, wobei das Vorschlagsrecht auf frühere Preisträger, norwegische Regierungsmitglieder und Parlamentariker, sowie eine Reihe ausgewählter Akademiker und Friedensforschungsinstitute begrenzt ist. Die Preissumme, die je zur Hälfte an Yunus und die Grameen Bank gehen, beträgt 10 Millionen norwegische Kronen. Die Überreichung erfolgt wie immer am Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, dem 10.Dezember, in Oslo.