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USA schliessen Keflavik-Basis

Island sucht neue Militärpartner

 

Seit 1951 ist die militärische Verteidigung Islands durch Vertrag den USA übertragen. Nun hat Präsident Bush entschieden, den amerikanischen Militärstützpunkt Keflavik aufzulösen. Damit wird eine weitere Spur des Kalten Krieges in Europa gelöscht und Island steht zunächst ohne Landesverteidigung da.

 

mat. Stockholm, 5 .Mai 

Der isländische Militärstützpunkt Keflavik auf Island wird zu einem ”Footprint” dezimiert. Der folgenreiche Schritt, den Präsident Bush höchstpersönlich beschlossen hat, wurde dem isländischen Aussenminister Geir Haarde bereits Mitte März in einem Telefonat kurz und bündig durch Vizeaussenminister Burns mitgeteilt. Die isländische Regierung reagierte darauf beleidigt und verwirrt. Ein so brüskes Auftreten habe man sich unter Freunden und Verbündeten nicht erwartet. Die politische Opposition höhnte, dies sei jetzt wohl der Dank der Amerikaner dafür, dass Islands Regierung in naiver Weise die US-Invasion im Irak unterstützt habe.

 

Keine echte Überraschung

Auf den ersten Blick geht es um nicht mehr als vier, bisher noch auf Island verbliebene F-15-Maschinen sowie eine Hubschrauber-Squadron, die zusammen mit dem Militärpersonal von ca. 1.200 Mann verschwinden sollen. Lediglich ein paar Marinebeobachter werden zurückgelassen. Island, das selbst nur über Polizei und Küstenwacht verfügt, kommt damit allerdings die einzige nennenswerte, sichtbare Landesverteidigung abhanden. Ganz so überraschend, wie die isländische Regierung jetzt tut, war die Entscheidung Bushs aber nicht. Schon einmal zuvor, im Mai 2003, hatte Bush dem isländischen Regierungschef mitgeteilt, er plane den Abzug der vier Jagdflugzeuge und der meisten Hubschrauber weil er sie dringender woanders brauche. Die Regierung in Reykjavik markierte daraufhin den Starken Mann und machte Druck in der Öffentlichkeit. Entweder Bush ziehe seine Entscheidung zurück oder es sei an der Zeit das Verteidigungsbündnis von 1951 aufzukündigen. Nach einigen kritischen Zeitungsartikeln von US-Militärexperten vertagte der Präsident die geplante Veränderung als Teil einer bevorstehenden Gesamtrevision der US-Militärpräsenz in Europa.

 

Streit um isländische Kostenbeteiligung

Seit 2003 haben ausserdem beide Länder fast ununterbrochen über eine isländische Mitfinanzierung der amerikanischen Militärpräsenz verhandelt. Die Amerikaner erinnern gern daran, dass Island längst nicht mehr jene arme Fischereination von 1951 ist. Der Keflaviker Flughafen, der von den USA betrieben wird, fülle noch dazu heutzutage hauptsächlich zivile Funktionen. Die Isländer gaben sich in diesen Verhandlungen jedoch zugeknöpft, und die Finanzgespräche mochten kein Ende finden. Diese Verweigerungshaltung bezüglich Dollars und Cents hat zur Entscheidung der USA sicher beigetragen. Möglichrweise ein weiterer Faktor war die Machtverschiebung in Washington. Als treibende Kraft für die Schliessung der Keflavik-Basis galt nämlich von vornherein Verteidigungsminister Rumsfeld. Das Mandat für den Vertrag mit Island liegt aber beim Aussenministerium. Während der frühere Aussenminister Colin Powell in der Island-Frage beschwichtigend wirkte, habe sich das Kräftefeld inzwischen zu Rumsfelds Gunsten verschoben, meinen isländische Beobachter.

 

Wichtige Rolle im kalten Krieg

Die Geschichte der IDF (Iceland Defence Force) begann in der Anfangsphase des Zweiten Weltkriegs. Island, seit 1918 von Dänemark unabhängig, folgte zunächst einer strikten Neutralitätspolitik und lehnte sowohl deutsche als auch britische Ersuchen, isländisches Territorium benutzen zu dürfen, ab. Ungebeten landeten im Mai 1940 britische Truppen in Island. Reykjavik protestierte zuerst, stimmte aber rasch einem 3-Parteien-Abkommen zu, wonach die USA bis Kriegsende das Recht erhielten, von Island aus militärisch zu operieren. Von isländischen Stützpunkten aus wurden von nun an die nordatlantischen Versorgungskonvois geschützt, und von den von Island aus operierenden amerikanischen Fliegerstaffeln wurden mehr deutsche U-Boote versenkt als anderswo in der Welt. Bis zu 45.000 Mann betrug die amerikanische Präsenz auf der Insel.

 

Nach Kriegsende handelten die USA einen Vertrag aus, der ihnen die weitere Nutzung des Stützpunktes Keflavik sicherte. Die in Europa stationierten US-Truppen wollten versorgt werden, und es gab damals noch kaum Flugzeuge, die den Atlantik ohne Zwischenstopp zum Auftanken absolvieren konnten.Während des Kalten Krieges stieg die Bedeutung Keflaviks erneut. Island war inzwischen NATO-Mitglied, und 1951 wurde das, bis heute geltende, Verteidigungsabkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Auf dem Höhepunkt waren 18 Jagdflugzeuge vom Typ F-15 und 5.000 Soldaten in Keflavik stationiert. Von der isländischen Position Islands mitten im Atlantik aus wurden sowjetische U-Boot- und Luftoperationen kontrolliert.

 

Aufkündigung des Bündnisses?

Nach der Wende in Europa sank die strategische Bedeutung Islands, und die nun verbliebene amerikanische Präsenz hatte eher symbolischen Wert. Zwar haben die USA klargemacht, dass sie bereit sind, ihr Abkommen zum militärischen Schutz Islands aufrechtzuerhalten . Eine permanente Militärpräsenz im gegenwärtigen Ausmass sei dazu aber nicht notwendig. Der isländische Ministerpräsident Halldór Ásgrímsson meinte hingegen, dass nun ein Kapitel der Geschichte abgeschlossen sei und man eine Aufkündigung des amerikanisch-isländischen Vertrages nicht ausschliessen könne. Island werde sich nach neuen Partnern innerhalb Europas umsehen. Tatsächlich wurden bereits mit Frankreich derartige Kontakte aufgenommen, dessen Marine regelmässig turnusmässig viermal jährlich im Nordatlantik aktiv ist. Angeblich soll Verteidigungsministerin Alliot-Marie Bereitschaft zu verstärktem französischen Engagement angedeutet haben. Norwegen hat sich ebenfalls angeboten, im Rahmen der NATO Verteidigungsaufgaben auf Island zu übernehmen. Dann allerdings gegen Kostenersatz.