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Aussenministerin Freivalds zurückgetreten

Schwedische Regierungspartei affärengeplagt

 

Die schwedische Aussenministerin Laila Freivalds ist am Dienstag zurückgetreten. Sie stand seit dem mangelhaften Krisenmanagement der Regierung nach der Tsunami-Katastrophe unter schwerer Kritik, und war vor den Wahlen im kommenden Herbst für Ministerpräsident Persson zu einer Belastung geworden. Nun stolperte sie über Ungereimtheiten im Gefolge der Mohammed-Karikaturen.

 

 

mat. Stockholm, 21.März

Mit ihrem Rücktritt wich Aussenministerin Freivalds dem öffentlichen Druck gegen ihre Person und erleichtert damit Ministerpräsident Persson sechs Monate vor den Parlamentswahlen sein Geschäft. Den Anlass zum Rücktritt gab eine vermutete Verletzung von Meinungs- und Pressefreiheit im Gefolge der Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung Jyllands-Posten. Die recht bedeutungslose, fremdenfeindliche Partei ,,Sverigedemokraterna“ hatte auf ihrer Webseite die Leserschaft dazu aufgefordert, eigene Mohammed-Karikaturen einzuschicken, und versprach, diese dann im Internet zu veröffentlichen. Schwedische Aussenamtsmitarbeiter witterten ein neuerliches Unruhemoment, das bei Bekanntwerden in der islamischen Welt schwedische Interessen noch stärker als bisher gefährden könnte. Ein Spitzenbeamter versuchte daher den Inhaber des Internethotels, wo die Homepage der Randpartei platziert ist, zu überreden, die entsprechende Webseite zu sperren. Wie stark der Druck des Aussenministeriums dabei war, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Nach Bekanntwerden wurde die Vereinbarkeit einer solchen Vorgangsweise mit dem Grundgesetz öffentlich diskutiert. Freivalds stritt dabei in Medieninterviews kategorisch ab, etwas von der Angelegenheit gewusst zu haben. Anfang dieser Woche kam jedoch ans Licht, dass die Aussenministerin in Wirklichkeit bestens informiert gewesen war und die Vorgangsweise sogar mit ihren Mitarbeitern selbst diskutiert hatte. Die Opposition verlangte daraufhin Freivalds Rücktritt.

 

Nach Tsunami miserable Krisenbereitschaft

 

Es war nicht die erste Rücktrittsforderung an die Adresse der Aussenministerin. Und Ministerpräsident Persson fällt mit ihrer Entlassung aus dem Kabinett vermutlich ein Stein vom Herzen. Für ihn war die Freivalds seit der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 eine Belastung, weil dabei das Krisenmanagement des Aussenamtes voll versagt hatte. Während in vielen anderen Ländern bereits erste Hilfseinsätze angelaufen waren, absolvierte die Ministerin noch am Abend nach der Katastrophe einen seit langem geplanten Theaterbesuch, ohne bis dahin überhaupt in Kontakt mit ihrem Amt getreten zu sein. Im Aussenamt bestand ein Entscheidungsvakuum. Die Ministerin war weg und die höchsten Beamten, von denen einige auch erst nach ein paar Tagen die Weinachtsferien unterbrachen, schoben fällige Entscheidungen von einem zum anderen, um nur ja selbst nichts falsch zu machen. Eine dazu von der Regierung eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission stellte im Dezember 2005 der Regierung mit Persson an der Spitze wegen insgesamt mangelhafter Krisenbereitschaft ein miserables Zeugnis aus. Sie legte die Hauptverantwortung für das Versagen auf den Regierungschef selbst. Aus den Formulierungen des Kommissionsrapport war herauszulesen, dass Persson in der realen Praxis ein System geschaffen hat, in dem wichtige Entscheidungen im Regierungsapparat ohne ihn nicht gefällt werden dürfen. Da der Premier am Tag nach der Katastrophe selbst ungenügend informiert und ebenfalls absent war, stand der gesamte Apparat still. Am schlechtesten schnitt im Bericht allerdings Freivalds ab, da bei ihrem Ministerium die Hauptverantwortung für Auslands-Krisenmanagement liegt. Und wäre sie jetzt nicht zurückgetreten, hätte ihr noch im Frühjahr ein Misstrauensantrag im Parlament gedroht, dessen Ausgang unsicher war, weil sich die Grünen noch nicht entschieden hatten ob sie den Antrag der Opposition unterstützen würden oder nicht. Die Sorge, dass einer seiner wichtigsten Minister im Wahljahr über einen Misstrauensantrag stolpern könnte, ist Persson nun los.

 

Affärenumrankte Regierung im Gegenwind

 

Der Regierungschef hatte Freivalds im Oktober 2003 nach der Ermordung der populären Aussenministerin Anna Lindh zurück in die Regierung geholt, was Verwunderung auslöste. Freivalds hat nämlich im September 2000 bereits einmal als Justizministerin zurücktreten müssen, weil sie, ganz entgegen der offiziellen sozialdemokratischen Parteirhetorik, und lieber persönlichen Eigeninteresse folgend, ihre Kommunalwohnung lukrativ in eine Eigentumswohnung umgewandelt hatte.

 

Im September sind in Schweden Parlamentswahlen, und die Sozialdemokraten, die mit parlamentarischer Unterstützung der postkommunistischen Linkspartei und der grünen Miljöpartiet regieren, liegen im Gegenwind. Das Post-Tsusami-Chaos wurde in den letzten Monaten von Opposition und Medien weidlich ausgeschlachtet, und noch dazu von einigen kleineren Affären konzertiert, die allesamt aufs Minuskonto der Regierungspartei gehen. Vor kurzem beschwerte sich der konservative Oppositionsführer Fredrik Reinfeldt über eine anonyme E-mail-Kampagne, welche die Medien mit schmutzigen Unwahrheiten über ihn versorge. Internet-Fachleute konnten bald feststellen, dass die Kampagne von einem Computer im sozialdemokratischen Parteihauptquartier aus geführt wurde.

 

Als vorläufigen Nachfolger von Frau Freivalds hat Persson ,,bis auf weiteres“ seinen Vizeregierungschef Bosse Ringholm beauftragt. Dieser wird nun eine Art Multiminister, indem er bereits die Ressorts für EU-Fragen und für Sport verwaltet. Ringholm, der zuvor Persson bereits über fünf Jahre als Finanzminister gedient hat, darf als ebenfalls nicht ganz unbescholten gelten. Ein Stockholmer Sportverein, dessen Vorsitzender er war, steht gegenwärtig im Mittelpunkt einer staatsanwaltschaftlichen Voruntersuchung wegen Steuerhinterziehung, wobei Medien angeblich über Beweise für die Mitwisserschaft Ringholms verfügen. Gemäss einer Medienanalyse sind derzeit 40 Prozent der gesamten Berichterstattung über die Regierungspartei als negative Publizität zu bewerten. In den Meinungsumfragen liegt die bürgerliche Opposition vorne.