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Parlamentswahl in Island

Koalitionswechsel trotz Regierungswahlsieg?

 

Die isländische Regierung hat bei den Wahlen am Samstag eine hauchdünne Mehrheit erzielt. Dennoch wird wahrscheinlich eine neue Regierungskonstellation notwendig weil die Fortschrittspartei den Gang in die Opposition avisiert hat. Premierminister Geir Haarde wird als Chef der konservativen Unabhängigkeitspartei voraussichtlich mit der sozialdemokratischen Allianz über die Bildung einer ,,grossen” Koalition verhandeln.

 

mat. Stockholm, 13.Mai

 

Zwar hat die Mitte-Rechts-Regierung die Althingwahlen vom Samstag mit einem blauen Auge überstanden. Sie verlor ein Mandat und brächte es mit 32 der 63 Parlamentssitze auf eine knappe Mehrheit. Dennoch scheint die seit 1995 wirtschaftlich höchst erfolgreich agierende Koalition offenbar zu Ende zu gehen. Die (ehemals agrarische) Fortschrittspartei hat in der Regierungszusammenarbeit ständig Stimmen an die dominiernde Unabhängigkeitspartei verloren, gilt seit längerem als regierungsmüde, und Vertreter kündigten nun bereits den Austritt aus der Koalition an. Die Unabhängigkeitspartei legte drei Prozent zu und ist mit 36,6 Prozent weiterhin stärkste Kraft im Parlament. Hingegen kamen der Fortschrittspartei ein Drittel der Wähler abhanden, ihr Stimmenanteil ging von 18 auf 12 Prozent zurück.

 

Grüner Wind

Auch die Sozialdemokraten verloren über vier Prozent und brachten es auf knapp 27 Prozent. Deutlich gestärkt gingen die Grünen aus der Wahl hervor, was die zunehmende Skepsis der Isländer gegenüber einer ungebremsten Ausbeutung der Naturresourcen, Wasserkraft und geothermischer Energie, verdeutlicht. Mit einem Plus von 5,5 auf gut 14 Prozent erzielten die Linksgrünen von allen Parteien den stärksten Aufschwung, während die neugegründete grüne Bewegung für Island mit gut drei Prozent den Einzug ins Althing verpasste. Auf bürgerlicher Seite, aber ausserhalb der Regierung, behielten die Liberalen, die sich durch ausländerfeindliche Botschaften vermutlich für eine künftige Regierungsbeteiligung diqualifiziert haben, ihre gut sieben Prozent.

 

Grosse Koalition vorbereitet?

Die Weichen für den Wechsel zu einer konservativ-sozialdemokratischen Koalition wären bereits gestellt. Ministerpräsident Haarde und die Führerin der Allianz, Ingibjörg Solrun Gisladottir, haben beide prinzipielle Bereitschaft zur einer solchen Zusammenarbeit avisiert. Allerdings tritt die Allianz, dem Zeitgeist entsprechend, eher für eine gebremste Industrialisierung ein, was eher zähe Koalitionsverhandlungen erwarten liesse. Für Island wäre eine derartige Koalition aber nicht ungewöhnlich. Traditionell dominiert Pragmatismus die Politik, und ideologische Differenzen spielen eine geringere Rolle als persönliche Absprachen zwischen den führenden Politikern. Eine solche Koalition könnte zudem theoretisch an geglückte Vorbilder aus den 60er und 90er Jahren anknüpfen, wo Konservative und Sozialdemokraten gemeinsam in zwei kräftigen Schüben die bis dahin staatlich gesteuerte isländische Wirtschaft liberalisierten.

 

Das Wahlresultat vom Samstag hat jetzt einerseits den liberalen Wirtschaftskurs der Konservativen honoriert, der dem Land einen Wirtschaftsboom mit soliden Wachstumsraten, minimaler Arbeitslosigkeit und hohem Pro-Kopf-Einkommen bescherte. Die starken Stimmenzuwächse der grünen Parteien signalisierten zugleich, dass viele Isländer der ungebremsten Industrialiserung, dem Bau von noch mehr Staukraftwerken und ausländischen Aluminiumfabriken mitten in der unberührten Krater- und Gletscherlandschaft, nicht länger tatenlos zusehen wollen.