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Die Ikone des Low Budget

Ikea-Gründer Ingvar Kamprad wird 80

 

mat. Stockholm, 29.März

 

Vor 63 Jahren startete Ingvar Kamprad, grade 17 Jahre alt, ohne Geld und mit viel Enthusiasmus in der schwedischen Provinz sein Lebenswerk, das heute aus über 230 Warenhäusern in 33 Ländern besteht. Auf Forbes’ Liste der Reichsten der Welt liegt der Selfmademann nun auf Platz vier. Sagenumwoben feiert der Gründer der ”unmöglichen” Warenhauskette am 30.März seinen 80. Geburtstag.

 

Der Erfinder des Ikea-Prinzips wird 80. Sein Prinzip ist weit verbreitet. Beispiel: die Angebote des Baumarktes sehen günstig aus. Man wählt aus, entscheidet sich zum Kauf des schneidigen Turborasenmähers. Aber rasch stellt sich heraus, dass man gar keinen Rasenmäher gekauft hat, sondern ein Zukunftsprojekt in einem flachen Karton. Darin verpackt sind die Bestandteile eines zukünftigen Rasenmähers nebst Montageanleitung in 16 Sprachen. Auch wer noch nie bei Ikea war, wird irgendwann einmal mit dem Siegeszugs des Ikea-Prinzips konfrontiert, das sich längst auch in den entferntesten Branchen durchgesetzt hat.

 

Der Mann hinter diesem Prinzip, das ganze Völker zum Hobbybasteln zwingt , liegt laut Forbes jetzt unter den Reichsten der Welt auf Platz vier. Ingvar Kamprad ist sagenumwoben, und das gefällt ihm gut weil sich damit bei kostspieligen Imagekampagnen seiner Firma sparen lässt. Einige der kursierenden Schmunzelgeschichten rund um den Ikea-Gründer passen so gut ins Wunschbild, dass er sie gut auch selber erfunden haben könnte. Kamprad wird als Geizhals beschrieben, der sich selbst keinen anständigen Anzug gönnt, nie Business class fliegt, und am liebsten in Billighotels absteigt.  Er selbst bezeichnet sich als sparsam. Was da behauptet werde, stimme oft gar nicht. Zum Beispiel, er würde sich -durstig in einem Hotelzimmer angekommen- schon mal eine Dose Cola aus der Minibar genehmigen. Um danach rasch in den nächstgelegenen  Supermarkt zu gehen, um die fehlende Dose im Kühlschrank durch eine billig erworbene ersetzen zu können. Nein, sagt Kamprad, das wäre zwar eine recht gute Idee. Aber nein, er habe sich in seinem ganzen Leben noch nie aus einer Minibar bedient weil das viel zu teuer sei. Die Schmonzette von der Cola-Dose erzählt Kamprad regelmässig anderen Leuten selbst. Sie passt zum Markenzeichen Kamprads und Ikeas. Signalisiert wird: hier ist ein sparsamer Mann – welch  vernünftige Eigenschaft!

 

Französische Füllfedern und ein Nazi-Skelett

 

Wer bei Ikea kauft spart Geld! Das ist die Botschaft Kamprads. Im Sommer 1943 liess er seine Firma ins schwedische Handelregister eintragen. Der Firmenname besteht aus seinen eigenen Initialen ,,IK”, sowie aus denen zweier Ortsbezeichnungen. E für Elmtaryd, das ist der Name des abgelegenen elterlichen Bauernhofs, der sechs Kilometer entfernt vom nächsten Dorf  Agunnaryd liegt, das für das A steht. Kamprad war grade mal 17 Jahre alt und Schüler einer Handelsschule in Göteborg. Frisch gelernte Theorien über Vertrieb und Import testete er umgehend in der Praxis. Als der aus Frankreich bestellte erste Posten von 500 Füllfederhaltern eintraf, machte er sich per Bahn auf den Weg, um sie in südschwedischen Orten Tabakläden anzubieten. Das erwies sich als lukrativ aber mühsam. Daher setzte er kleine Inserate in Zeitungen, und richtete seine Angebote, bald ergänzt durch Feuerzeuge, Uhren und Nylonstrümpfe direkt an die Endverbraucher.

 

Vom Krieg, der damals in Europa tobte, war in Schweden nur ein Hauch zu spüren. Die Regierung hatte ihre Neutralitätspolitik dem Kriegsverlauf angepasst. Bis Stalingrad setzte man auf die deutsche Karte, danach auf die Alliierten. Schwedische Unternehmer belieferten am liebsten beide Kriegsparteien, und legten damals den Grundstein für Milliardenvermögen und Einfluss. Das Skelett in der Garderobe Ingvar Kamprads stammt aus dieser Zeit. Zur Vermögensbildung war er zu jung und kam aus keinem wohlhabenden Elternhaus. Aber unerfahren genug um sich für die Ideen der deutschen Nationalsozialisten begeistern zu können. Vermutlich inspiriert von der eigenen Familie, vor allem der sudetendeutschen Grossmutter, die 1896 mit Mann und Kindern nach Schweden ausgewandert war, und die Hitler für die ”Befreiung” des Sudetenlandes von der tschechischen Herrschaft anhimmelte, wandte er sich naziinspirierten schwedischen Jungendverbänden zu und wurde deren engagiertes Mitglied. Als 1994 das Boulevardblatt Expressen Kamprads Nazivergangenheit enthüllte, bekannte er sich zur ”grossen Dummheit” seiner Jugendjahre und entschuldigte sich, womit er der entflammten Medienebatte flugs medienschlau den Sauerstoff entzog.

 

Statusdenken ist verbannt

 

Kamprad ist trotz Erfolg und Reichtum chosenfrei geblieben und deshalb populär in Schweden. Er hat den Dialekt der Heimatregion Småland beibehalten, kleidet sich wie jedermann und fährt keine grossen Limousinen. Als die Ikone des Low budget bezeichnete ihn treffend das Svenska Dagbladet. Sein Lebenswerk Ikea umfasst derzeit 231 Warenhäuser in 33 Ländern, wovon 206 im Eigentum des Konzern sind während 25 mit Franchising-Lizenzen arbeiten. 90.000 Mitarbeiter werden beschäftigt, und 2005 setzte Ikea weltweit 15 Mrd. Euro um.

 

Statusdenken ist im Unternehmen nicht gefragt. Soviel wie möglich vom Pioniergeist der Gründertage soll erhalten bleiben. Auf  traditionelle Machtsymbole wie flotte Dienstautos müssen Ikea-Chefs verzichten, und fast alle haben sie ihre Schreibtische inmitten der Mitarbeiter in offenen Bürolandschaften. Mit Kamprad als Vorbild fliegen alle ausschliesslich Economy oder fahren Bahn zweiter Klasse. Jeder Chef soll seinen Mitarbeitern mit gutem  Beispiel vorangehen. Die gesamte Unternehmenskultur soll sich sowenig wie möglich von den Gewohnheiten der Kunden unterscheiden. Kostenbewusstsein und Nähe zum Kunden sind ein und dasselbe. Auch der Bürokratisierung versucht man entgegenzuwirken indem jeder der 2.000 Chefs mindestens fünf Tage pro Jahr kundennah in einem der Ikea-Warenhäuser praktiziert. Selbst Konzernchef Anders Dahlvig unterwirft sich dieser Regel. Beim letzten Mal verkaufte er in einem der Stockholmer Ikea-Warenhäuser Matratzen, und er praktizierte im Selbstbedienungs-Warenlager. Obwohl Ikea auch bei den Mitarbeiterlöhnen seiner Devise treu bleibt und nicht eben mit Geld um sich wirft, zählt im Mutterland Schweden bei jährlichen Umfragen unter jungen Akademikern die Firma jeweils zu den attraktivsten Arbeitgebern.

 

Sympathie für den Selfmade-Multimilliardär

 

Als Ikea 1958 das erste, und damals grösste Möbelwarenhaus Nordeuropas, im småländischen Älmhult eröffnet hatte, gab es zwar eine Einteilung in Büro- und Warenhauspersonal, die der Chef aber bei Bedarf aufhob. Trat im Lager eine Krisensituation auf, dann mussten alle Angestellten mit dem Chef an der Spitze hin und zupacken. Der spielerische Enthusiasmus von damals ist inzwischen natürlich durch eine effektivere Maschinerie ersetzt. Der Jubilar, in dessen Garderobe drei Ehrendoktorhüte liegen, übersiedelte bereits 1973 in die Schweiz. Das Unternehmen gehört einer Stiftung in Holland. Trotzdem hat Kamprad in Schweden nie den Stempel ”Steuerflüchtling” aufgedrückt bekommen, mit dem die Neidgenossenschaft hierzulande sonst recht freizügig Gebrauch macht. Wahrscheinlich ist es die selbstverständliche Sympathie für das Bild des bescheiden gebliebenen Selfmade-Milliardärs, das für ihn und seine Firma ein Teflon-Schutzschild ausmacht. Das Ikea-Imperium ist wegen seiner Stiftungskonstruktion nur schwer durchleuchtbar. Und keiner hat je nachgeschaut wie spartanisch der Lebensstil der Kamprads in Wahrheit ist. Aber ihm darf man Erfolg und Vermögen eben gönnen, weil er sich in Lebenslauf und Unternehmerstil derart stark von der heutigen, zweifelhaften, bonusverwöhnten Managementkultur unterscheidet.

 

Kamprads Vermögen wird laut Forbes auf gut 220 Milliarden sKr. geschätzt. Trotz seiner 80 Jahre nimmt Ingvar Kamprad voll engagiert an der fortgesetzten Expansion des von ihm geschaffenen Imperiums teil. Sein gegenwärtiges Lieblingsobjekt ist Russland, wo Ikea in den kommenden Jahren jährlich zwei neue Einkaufszentren inklusive Möbelwarenhäuser eröffnen will. In der Schweiz haben die Kamprads ihre zweite Heimat gefunden. Die Villa in der Nähe von Lausanne besteht aus einem einzigen Stockwerk. Das passe im Notfall gut für einen eventuellen Rollstuhl, sagt Kamprad, der am liebsten steinalt werden will.